Frage: Ein Kollege erzählte kürzlich, er hätte einen schlimmen Unfall nur knapp verhindern können, als ihm ein Kind vor das Auto rannte. Nachdem er sein Fahrzeug zum Stehen gebracht habe, sei die Mutter des Kindes auf ihn zugelaufen und habe ihn lauthals beschimpft. Als Autofahrer müsse er besser aufpassen, wenn Kinder in der Nähe seien. Das Kind spazierte jedoch in Begleitung seiner Mutter. Trägt nicht diese die Verantwortung dafür, dass ihr Kind nicht auf die Strasse rennt?
Antwort: Nein, der Autofahrer bleibt trotzdem verantwortlich. Selbstverständlich müssen die Begleitpersonen dafür sorgen, dass sich Kinder im Strassenverkehr richtig verhalten und nicht in Gefahr begeben. Das Verhalten von Kindern ist aber oftmals nicht vorhersehbar. Fahrzeuglenker können sich daher bei Kindern nicht auf den im Strassenverkehr sonst geltenden Vertrauensgrundsatz berufen. Dieser besagt, dass jeder Verkehrsteilnehmer solange darauf vertrauen darf, dass sich die anderen Verkehrsteilnehmer ordnungsgemäss verhalten, bis konkrete Anzeichen das Gegenteil erwarten lassen. Gegenüber Kindern gelten gemäss der Rechtsprechung des Bundesgerichtes besondere Regeln. Bei ihnen muss der Autofahrer besondere Vorsicht walten lassen. Steht ein Kind am Strassenrand und achtet nicht besonders auf den Verkehr, muss jederzeit mit einem Fehlverhalten gerechnet werden. Dies gilt selbst dann, wenn das Kind in Begleitung eines Erwachsenen unterwegs ist. Nur wenn das Kind überwacht wird und auf dessen Verhalten Einfluss genommen wird, dieses also beispielsweise an der Hand gehalten wird, gilt die erhöhte Sorgfaltspflicht nicht. Dies war bei Ihnen nicht der Fall. Sie hätten daher damit rechnen müssen, dass das Kind unvermittelt auf die Strasse rennt und entsprechend vorsichtiger fahren müssen.