Frage: Mein Nachbar hat mir den Mittelfinger gezeigt. Das wollte ich mir nicht bieten lassen und habe daraufhin einen Strafantrag bei der Polizei gestellt. Jetzt habe ich von der Staatsanwaltschaft erfahren, dass sie uns versöhnen wollen, indem sie uns zu einer Vergleichsverhandlung einladen. Ich will mich aber nicht mit meinem Nachbarn versöhnen. Darf das der Staatsanwalt überhaupt?
Antwort: Ja. Die Beschimpfung ist ein sogenanntes Antragsdelikt. Dieses wird bloss dann strafrechtlich verfolgt, wenn der Geschädigte — in diesem Fall Sie — einen Strafantrag stellt. Der Staatsanwalt hat dann die Möglichkeit, den Antragsteller und den Beschuldigten zu einer Vergleichsverhandlung vorzuladen. Es spielt dabei keine Rolle, ob Sie mit diesem Vorgehen einverstanden sind oder nicht. Das Ziel der Vergleichsverhandlung ist es, die Parteien zu versöhnen oder einen Vergleich zu erzielen, mit dem beide Beteiligten einverstanden sind. Wenn Sie nicht zur Verhandlung erscheinen wollen, kann Sie niemand dazu zwingen. Ihr Nichterscheinen hat jedoch die Folge, dass dadurch der Strafantrag als zurückgezogen gilt. Die Beschimpfung wird nicht weiter untersucht und Ihr Nachbar bleibt straffrei. Der Staatsanwalt kann Sie jedoch nicht zwingen, sich gegen Ihren Willen zu versöhnen oder einen Vergleich zu unterzeichnen, den Sie nicht wollen. Gelangen Sie zu keiner Einigung mit Ihrem Nachbarn, nimmt der Staatsanwalt die Untersuchung bezüglich der Beschimpfung unverzüglich an die Hand. Gleiches gilt, wenn Ihr Nachbar nicht zum Vergleichsgespräch erscheint. Kommen Sie und Ihr Nachbar zu einer Einigung, wird der Vergleich in einem Protokoll festgehalten und von Ihnen beiden unterzeichnet. Damit ist das Verfahren gegen Ihren Nachbarn abgeschlossen und Sie konnten einen möglicherweise langen und teuren Rechtsstreit umgehen.