Frage: Ein Arbeitskollege belästigt mich seit längerer Zeit mit sexistischen Witzen und anzüglichen Bemerkungen. Ich fühle mich durch seine Äusserungen sehr gestört und habe ihn bereits mehrmals gebeten, damit aufzuhören. Er macht aber immer weiter. Nun habe ich meinen Vorgesetzten gebeten, einzuschreiten. Dieser meinte jedoch, es handle sich um ein privates Problem, dieses müssten wir selbst regeln. Hat er Recht?
Antwort: Nein, Ihr Chef kann sich nicht einfach so heraushalten. Jeder Arbeitgeber ist von Gesetzes wegen verpflichtet, seine Angestellten vor sexuellen Belästigungen am Arbeitsplatz zu schützen. Unter den Begriff sexuelle Belästigung fällt jedes belästigende Verhalten, welches die Würde von Frauen und Männern am Arbeitsplatz beeinträchtigt. Ein einziger Vorfall reicht aus, dass der Sachverhalt der sexuellen Belästigung erfüllt sein kann. Ausschlaggebend für die Beurteilung ist nebst den zu beachtenden Umständen wie Arbeitsumfeld, Unternehmenskultur, Ausbildung, Position, Alter usw. vor allem das subjektive Empfinden des Opfers und nicht die Absicht des Täters. Ihr Arbeitskollege hat die Grenzen des harmlosen Flirts bei weitem überschritten. Daher muss Ihr Chef eingreifen und die notwendigen Konsequenzen ziehen. Die ihm zu diesem Zweck zur Verfügung stehenden Massnahmen reichen von einer schriftlichen Verwarnung Ihres Arbeitskollegen bis zu dessen fristlosen Entlassung. Weigert sich Ihr Chef weiterhin, seiner Pflicht nachzukommen, so kommt ihn dies teuer zu stehen. Nebst Schadenersatz und Genugtuung können Sie von ihm eine Entschädigung verlangen. Diese wird vom Gericht festgelegt und kann bis zu 6 Monatslöhne (Schweizer Durchschnittslohn) betragen. Der Arbeitgeber haftet nur dann nicht, wenn er nachweisen kann, dass er alle erforderlichen und zumutbaren Massnahmen getroffen hat, um die sexuelle Belästigung zu verhindern.