Frage: Vor sechs Jahren habe ich mich selbstständig gemacht. Um mir dabei zu helfen, hat mir mein Vater einen Betrag von 50’000 Franken geschenkt. Unterdessen ist nach meiner Mutter auch mein Vater gestorben. Meine Geschwister behaupten nun, die Schenkung sei von meinem Erbteil abzuziehen. Im Schenkungsvertrag ist aber eine solche Rückzahlungspflicht nicht vorgesehen. Was im Erbfall gilt, ist gar nicht geregelt. Muss ich mir das Geld anrechnen lassen, obwohl es mir geschenkt wurde?
Antwort: Ja. Ohne besondere Anordnung sind Schenkungen, welche Nachkommen zu Lebzeiten des Schenkenden erhalten haben, bei der Erbteilung anzurechnen. Die Juristen nennen das «ausgleichen». Der Grund liegt darin, dass der Gesetzgeber alle Nachkommen gleich behandeln wollte. Voraussetzung für die Ausgleichung ist jedoch, dass es sich um eine grössere Zuwendung handelt. Gemäss Gesetz muss sie einen sogenannten «Ausstattungscharakter» haben. Dies sind Zuwendungen, welche der Existenzgründung, ‑sicherung oder ‑verbesserung dienen. Darunter fallen unter anderem namhafte Beiträge zur Finanzierung eines Hauses oder wie bei Ihnen eines eigenen Geschäfts. Kleinere Gelegenheitsgeschenke hingegen müssen nicht ausgeglichen werden. Auch Ausbildungskosten sind nicht ausgleichungspflichtig, solange sie das übliche Mass nicht übersteigen. Hätte Sie Ihr Vater gegenüber Ihren Geschwistern bevorzugen wollen, hätte er ausdrücklich festhalten müssen, dass die Schenkung bei der Erbteilung nicht ausgeglichen werden muss. Diese Regelung gilt aber nur für Nachkommen. Bei anderen gesetzlichen Erben gilt: Sie müssen Schenkungen nur dann ausgleichen, wenn der Verstorbene dies ausdrücklich so festgehalten hat. Dies kann der Erblasser etwa mit dem Satz «Zuwendung auf Anrechnung an den Erbteil» bewerkstelligen.