Frage: Ich habe meine Stelle gekündigt, da ich mich beim derzeitigen Arbeitgeber beruflich nicht mehr weiterentwickeln kann. Von einem möglichen neuen Arbeitgeber wurde ich zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen. Mein Chef weigert sich, mir dafür frei zu geben. Er meint, da ich selber gekündigt habe, stehe mir kein solches Recht zu. Stimmt das?
Antwort: Nein. Ihr Chef liegt falsch. Gemäss Artikel 329 Absatz 3 des Obligationenrechts hat der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer nach erfolgter Kündigung die für die Suche einer anderen Arbeitsstelle erforderliche Zeit frei zu geben. Dabei spielt es keine Rolle, wer die Kündigung ausgesprochen hat. Wie viel Zeit dem Arbeitnehmer wann frei zu geben ist, regelt das Gesetz nicht näher. Der Arbeitgeber hat sie deshalb nach den Umständen zu bestimmen, wobei er angemessen Rücksicht auf die Bedürfnisse des Arbeitnehmers nehmen muss. Die Dauer hängt vom jeweiligen Einzelfall ab. Einer Sekretärin genügen oftmals einige Stunden. Muss sich demgegenüber eine Fachkraft im Ausland vorstellen, kann die Absenz mehrere Tage betragen. Die Absenz beschränkt sich auf die für das Aufsuchen einer anderen Arbeitsstelle erforderliche Zeit. In keinem Fall darf sich der Arbeitnehmer die Freizeit selbst nehmen. Will er ein Bewerbungsgespräch vereinbaren, muss er sich deshalb im Voraus mit dem Arbeitgeber über den günstigen Zeitpunkt einigen. Die Zustimmung des Arbeitgebers darf im Übrigen nicht von der Nennung des Gesprächspartners abhängig gemacht werden. Dessen Name gehört zur Geheimsphäre des Arbeitnehmers. Der Gesetzgeber hat keine Lohnzahlungspflicht des Arbeitgebers vorgeschrieben. Doch im Normalfall zieht der Arbeitgeber bei im Monatslohn Angestellten keinen Lohn ab, falls sich die Absenzen in einem vertretbaren Rahmen bewegen.