Das Erbrecht regelt die Vermögensnachfolge beim Tod einer Person. Dabei geht das Vermögen des Verstorbenen unmittelbar und ohne deren Zutun auf die Erben über.
1. Allgemeines
Das gesetzliche Erbrecht basiert auf der Bluts- und Adoptivverwandtschaft. Diese Verwandten erben nach ihrem Verwandtschaftsgrad, d. h. nach ihrer Abstammung von den Eltern (lateinisch parentes; sogenannte Parentelenordnung). Jede Parentel schliesst die weiter entfernte aus, d. h. Personen einer entfernteren Parentel können nur erben, wenn keine Erben einer näheren mehr vorhanden sind. Eine Sonderstellung nimmt der überlebende Ehegatte ein, da er nicht blutsverwandt sein kann. Er erbt neben den Bluts- und Adoptivverwandten.
2. Gesetzliches Erbrecht
a) Die Nachkommen
In erster Linie erben die direkten Nachkommen des Erblassers, m. a. W. die Kinder. Anstelle von vorverstorbenen Kindern treten deren Nachkommen (= Enkel, ev. Urenkel des Erblassers). Die Kinder erben zu gleichen Teilen.
b) Die Eltern
Sind keine Nachkommen vorhanden, erben die Eltern des Erblassers zu gleichen Teilen. Anstelle von vorverstorbenen Eltern treten deren Nachkommen (= Geschwister, ev. Nichten und Neffen des Erblassers). Fehlt es an Nachkommen auf einer Seite, so fällt die ganze Erbschaft an die Erben der andern Seite.
c) Die Grosseltern
Sind weder Nachkommen noch Verwandte des elterlichen Stammes vorhanden, erben die Grosseltern. Anstelle von vorverstorbenen Grosseltern treten deren Nachkommen (= Onkel, Tanten, Cousins und Cousinen des Erblassers). Fehlt es auf der einen grosselterlichen Seite an Erben, fällt die ganze Erbschaft an die andere.
d) Der Ehegatte
Der überlebende Ehegatte des Erblassers erbt neben den Bluts- und Adoptivverwandten. Sein gesetzlicher Erbteil beträgt:
- Wenn er mit direkten Nachkommen zu teilen hat, die Hälfte der Erbschaft.
- Wenn er mit Erben des elterlichen Stammes zu teilen hat, drei Viertel des Nachlasses.
- Wenn auch keine Erben des elterlichen Stammes vorhanden sind, die ganze Erbschaft; m. a. W. er ist Alleinerbe.
e) Das Gemeinwesen
Hinterlässt der Erblasser weder Nachkommen noch Erben des elterlichen bzw. des grosselterlichen Stammes und hinterlässt er auch keinen Ehepartner, fällt die Erbschaft an den Staat, d. h. an den Kanton oder die Wohn- bzw. Bürgergemeinde (kantonal geregelt).
3. Regelung durch den Erblasser
Der Erblasser kann durch verschiedene Möglichkeiten in die gesetzliche Erbfolge eingreifen und diese abändern. Er macht dies vornehmlich durch Errichtung einer Verfügung von Todes wegen (Testament oder Erbvertrag) sowie durch lebzeitige Zuwendungen. Ihm sind dabei aber Schranken – insbesondere durch den Pflichtteilsschutz – gesetzt.
- a) Pflichtteile der Angehörigen
- b) Lebzeitige Zuwendungen
- c) Letztwillige Verfügung (Testament)
- d) Erbvertrag
a) Pflichtteile der Angehörigen
Der Anteil einer Erbschaft, der den nächsten Angehörigen nicht entzogen werden kann, nennt man Pflichtteil. Angehörige, die in den Genuss dieses Schutzes gelangen, sind die Nachkommen und der überlebende Ehegatte. Weitere Erben sind nicht pflichtteilsgeschützt.
Der Pflichtteil beträgt immer einen Teil des gesetzlichen Erbteils des pflichtteilsgeschützten Erben (ab 1.1.2023):
- Für Nachkommen je die Hälfte des gesetzlichen Erbanspruchs.
- Für den überlebenden Ehegatten die Hälfte des gesetzlichen Erbteils.
Der Erblasser kann in einer Verfügung von Todes wegen nur über den nicht pflichtteilsgeschützten Teil seines Nachlasses (= frei verfügbare Quote) frei verfügen. Stellt sich bei einer Erbschaft heraus, dass durch eine Anordnung in einer Verfügung des Erblassers der Pflichtteil eines Erben verletzt wurde, kann sich dieser Erbe mit der sogenannten Herabsetzungsklage zur Wehr setzen und seinen Pflichtteil beanspruchen.
b) Lebzeitige Zuwendungen
Es versteht sich von selbst, dass der Erblasser zu seinen Lebzeiten grundsätzlich frei über sein Vermögen verfügen kann. Er kann daher auch einem zukünftigen Erben bereits einzelne Vermögenswerte vor seinem Ableben zuwenden.
Je nachdem, was bei einem derartigen Geschäft vereinbart wurde, ist das Empfangene aber als Erbvorbezug zu betrachten und kommt bei der späteren Erbschaft zur Ausgleichung.
Werden durch derartige Zuwendungen Pflichtteile verletzt, können die betroffenen Erben ihren Anspruch unter Umständen mit der Herabsetzungsklage geltend machen.
c) Letztwillige Verfügung (Testament)
Wer urteilsfähig und 18 Jahre alt ist, kann in einem Testament seinen Nachlass unter Beobachtung der gesetzlichen Schranken und Formen selber regeln. Ein Testament ist jederzeit frei widerrufbar und kann zu jedem Zeitpunkt abgeändert oder vernichtet werden.
Inhalt
Eine letztwillige Verfügung hat in der Praxis oftmals folgenden Inhalt:
- Begünstigung des überlebenden Ehegatten z. B. durch Zuweisung der Nutzniessung an denjenigen Teil der Erbschaft, welcher den gemeinsamen Nachkommen zukommt.
- Begünstigung eines Nachkommen durch Zuweisung der frei verfügbaren Quote zulasten der anderen Erben.
- Einsetzen eines Dritten als Erben neben den gesetzlichen Erben.
- Vor- und Nacherbeneinsetzung.
- Vermächtnis: Der Erblasser kann aus der frei verfügbaren Quote einem Bedachten (Person, Institution etc.) gewisse Vermögenswerte zuwenden. Der Vermächtnisnehmer wird nicht Erbe.
- Mit der frei verfügbaren Quote kann der Erblasser eine Stiftung errichten.
- Einsetzung eines Willensvollstreckers, welcher das Testament zu vollziehen hat.
Enterbung ist nur bei Vorliegen von sehr schwerwiegenden Gründen möglich:
- Wenn der Erbe gegen den Erblasser oder gegen eine diesem nahe stehende Person ein schweres Verbrechen begangen hat.
- Wenn der Erbe gegenüber dem Erblasser oder einem von dessen Angehörigen die ihm obliegenden familienrechtlichen Pflichten schwer verletzt hat.
Form
Was die Form anbelangt, unterliegt das Testament einem numerus clausus. Es muss in einer der vom Gesetz vorgeschriebenen Formen (eigenhändiges Testament, öffentliches Testament oder Nottestament) errichtet werden.
- Das eigenhändige Testament wird vom Erblasser selbst, ohne Mitwirkung von Dritten, abgefasst. Es ist vom Erblasser von Anfang bis Ende mit eigener Handschrift (nicht Schreibmaschine) niederzuschreiben und zu unterzeichnen.Es muss das Datum der Errichtung enthalten. Ein Testament, das dieser Form nicht entspricht, kann von den Erben nach dem Tod angefochten und als ungültig erklärt werden.
- Ein öffentliches Testament wird durch den Notar nach den Angaben des Erblassers abgefasst. Der Erblasser hat die Urkunde zu unterzeichnen. Unmittelbar danach hat er vor zwei Zeugen und dem Notar zu erklären, dass die Urkunde seinen Willen enthalte. Die Zeugen haben diese Erklärung sowie den Umstand, dass der Erblasser nach ihrer Wahrnehmung verfügungsfähig war, mit ihrer Unterschrift zu bestätigen kann der Erblasser aus irgendeinem Grund nicht unterschreiben, wird ihm die Urkunde vor den Zeugen vorgelesen.
- Wer sich in unmittelbarer Lebensgefahr befindet, kann ein sogenanntes Nottestament errichten. Er kann seinen letzten Willen vor zwei Zeugen mündlich erklären und diese beauftragen, seine Verfügung beim nächsten Gericht zu Protokoll zu geben.
d) Erbvertrag
Wer urteilsfähig ist und das 18. Altersjahr zurückgelegt hat, kann einen Erbvertrag abschliessen. Der Erbvertrag ist ein Vertrag. Er ist daher für die Parteien bindend und kann nur durch gegenseitige schriftliche Übereinkunft wieder aufgehoben werden.
Inhalt
Inhaltlich sind die Vertragsparteien grundsätzlich an keine Schranken gebunden. Der Erblasser kann sich mit seinen Erben über die Regelung seines Nachlasses frei einigen. Sollten jedoch durch einen Erbvertrag Pflichtteile anderer Erben, die beim Erbvertrag nicht mitgewirkt haben, verletzt werden, können sich diese dagegen auch hier mit der Herabsetzungsklage zur Wehr setzen.
Erbverträge kommen namentlich in folgenden Ausgestaltungen vor:
- Erbverzichtsvertrag: Dabei verzichten pflichtteilsgeschützte Erben zum Teil oder vollumfänglich auf ihren pflichtteilsgeschützten Erbanspruch.
- Erbauskaufvertrag: Eine Vermögenszuwendung zu Lebzeiten wird mit dem Verzicht auf eine später anfallende Erbschaft verbunden.
- Erbeinsetzungsvertrag: Derartige Erbverträge kommen vor allem zwischen nicht verwandten Personen vor, besonders da, wo keine pflichtteilsgeschützten Erben vorhanden sind.
- Schliesslich kann ein Erbvertrag auch Teilungsvorschriften, Auflagen und Bedingungen, eine Enterbung, die Einsetzung eines Willensvollstreckers oder ein Vermächtnis beinhalten.
Form
Die Form ist analog derjenigen des öffentlichen Testaments. Der Vertrag ist somit vor einer öffentlichen Urkundsperson (Notar) und zwei Zeugen abzuschliessen.
4. Der Erbgang
Die Regelungen zum Erbgang werden in einem eigenen Artikel thematisiert.