Ein Strafbefehl im Briefkasten, Streit mit dem Arbeitgeber oder ein Unfallschaden, für den die Versicherung nicht aufkommen will. Rasch steht man vor der Frage, ob man einen Anwalt braucht, was dieser kostet und wie sich das weitere Vorgehen gestaltet. Wir klären auf:
Brauche ich einen Anwalt?
In der Schweiz besteht grundsätzlich keine Anwaltspflicht. Viele Uneinigkeiten im Alltag können daher unter den Betroffenen selber ausgetragen werden. In aller Regel darf man seine Sache selbst vor Gericht vertreten und eigene Eingaben machen. Ausnahmen bestehen insbesondere im Strafverfahren (bspw. bei freiheitsentziehenden Massnahmen oder Freiheitsstrafen von mehr als einem Jahr).
Der freiwillige Beizug eines Anwalts lohnt sich insbesondere bei:
- komplexen Sachverhalten
- grossen Streitwerten
- wenn die Gegenseite bereits einen Anwalts zugezogen hat (Waffengleichheit)
- wenn ein Gang vor ein Gericht bevorsteht
Trennung & Scheidung: Eine einvernehmliche Trennung oder Scheidung kann ohne einen Anwalt abgewickelt werden. Der Beizug einer Fachperson lohnt sich bei Streitigkeiten rund um grosses Vermögen, das Sorgerecht der Kinder oder Unterhaltsbeiträge.
Erbrecht: Sind alle Beteiligen mit der Aufteilung der Erbschaft einverstanden, braucht es keine Fachperson. Ratsam ist der Beizug eines Anwalts, wenn grössere Uneinigkeiten oder Streitigkeiten auftauchen.
Arbeitsrecht: Bei einfacheren Forderungen im Zusammenhang mit Lohnzahlungen, Überstunden oder Ferien braucht es in der Regel keinen Anwalt. Bei grösseren Konflikten wie bspw. missbräuchlichen Kündigungen empfiehlt sich jedoch der Beizug einer Fachperson.
Mietrecht: Mietrechliche Streitigkeiten lassen sich oftmals einvernehmlich erledigen. Auch ein Gang vor die Schlichtungsbehörde kann in einfachen Fällen ohne professionelle Vertretung erfolgen.
Kaufrecht: Das Aufsuchen eines Anwalts empfiehlt sich in der Regel erst bei grösseren Kaufsummen.
Strafrecht: In der Regel sollte noch vor der ersten Einvernahme ein Anwalt beigezogen werden. Zu Beginn des Verfahrens werden häufig die grössten Fehler begangen, welche sich später nur sehr schwer korrigieren lassen.
Tipp: Oft kann ein Anwalt auch bei «kleineren» Streitigkeiten für Klarheit sorgen und damit häufig nicht nur Zeit, sondern auch Nerven sparen.
Wann sollte ich einen Anwalt beiziehen?
Eine frühzeitige Beratung ist in der Regel gut investiertes Geld. Sie vermeiden damit unnötige oder unnötig lange Prozesse und erhöhen die Gewinnchance von unvermeidlichen Prozessen. Nicht selten erledigen sich Aufträge auch bereits in einem ersten Beratungsgespräch.
Wie hilft mir ein Anwalt?
Durch die Konsultation eines Anwalts erhalten Sie einen klaren Überblick über Ihre individuelle Situation in einfachen und verständlichen Worten. Sie werden über Ihre Ansprüche aufgeklärt und erfahren, auf welche Weise Sie diese am besten durchsetzen. Diese Informationen mindern Unsicherheiten und führen dadurch oftmals zu grosser Erleichterung.
Ein Anwalt kann auch als unparteilicher Vermittler zwischen Parteien fungieren, bei der Formulierung, dem Abschluss und der Abwicklung von Verträgen unterstützen oder Sie gegenüber Dritten oder vor Gericht vertreten.
Wie läuft der erste Kontakt zum Anwalt?
Ein Telefonanruf oder eine E‑Mail genügt, um ein erstes Gespräch zu vereinbaren.
In der ersten Besprechung informieren Sie Ihren Anwalt über den vorgefallenen Sachverhalt. Im Gegenzug klärt dieser Sie darüber auf, ob eine Rechtsvertretung in Ihrem Fall überhaupt sinnvoll ist, was die zu erwartenden Kosten sind und wie sich das weitere Vorgehen gestaltet.
Wie soll ich mich auf das Erstgespräch vorbereiten?
Nachstehende Vorbereitungstipps tragen zu einem effizienten Ablauf des ersten Beratungsgesprächs bei:
- Ziel überlegen: Was möchten Sie erreichen? Welche Fragen möchten Sie von Ihrem Anwalt beantwortet haben?
- Unterlagen mitnehmen: Bringen Sie relevante Dokumente wie Verträge und Briefe mit. Erstellen Sie bei komplizierten Sachverhalten eine chronologische Übersicht und notieren Sie Namen und Adressen von wichtigen Personen (Beteiligte, Zeugen, Gegenseite).
- Fristen: Sind Ihnen Fristen bekannt, teilen Sie diese bereits bei der Terminvereinbarung dem Sekretariat mit.
- Rechtsschutzversicherung: Denken Sie ans Mitbringen der entsprechenden Police.
Tipp: Verschweigen Sie keine wichtigen Informationen, auch wenn diese unangenehm erscheinen. Für eine erfolgreiche Mandatsführung ist ein gegenseitiges Vertrauensverhältnis unabdinglich.
Wie finde ich den richtigen Anwalt?
Die meisten Rechtssuchenden konsultieren das Internet oder verlassen sich auf Empfehlungen von Freunden und Bekannten. Wichtige Auswahlkriterien sind:
- Fachkenntnis des Anwalts im betroffenen Gebiet
- Standort des Anwalt: Ein Anwalt in der Nähe ist vorteilhaft wegen der tiefen Reisespesen und der Kenntnis der örtlichen Eigenheiten der Gerichte und Richter
- Ihr Bauchgefühl in der Erstbesprechung: Ist Ihnen der Anwalt sympathisch? Fühlen Sie sich ernstgenommen? Können Sie sich vorstellen, vertrauensvoll und effektiv mit dem Anwalt zusammenzuarbeiten?
- Kosten: siehe sogleich nächste Frage
Tipp: Sind Sie mit Ihrem Anwalt überhaupt nicht zufrieden, steht Ihnen jederzeit ein Anwaltswechsel offen.
Was kostet ein Anwalt?
Das grosse Mittelfeld der Anwälte in der Schweiz bewegt sich zwischen einem Stundenansatz von 250 bis 350 Franken. Höhere Ansätze finden sich insbesondere bei grossen städtischen Kanzleien. Auf dem Land bieten einige Anwälte Ihre Dienste zuweilen auch günstiger an. Wir verrechnen bei durchschnittlichen Fällen einen Stundenansatz von CHF 280.00 (zuzüglich MWST und Auslagen).
Tipp: Der vereinbarte Stundenansatz sagt nichts über die Effizienz des Anwalts aus. Viel wichtiger ist die Anzahl der verrechneten Stunden.
Wenn Sie über eine Rechtsschutzversicherung verfügen, kommt diese in der Regel für die Anwaltskosten auf. Informieren Sie Ihren Anwalt, damit dieser den Versicherungsschutz prüfen kann.
Besteht kein Versicherungsschutz und sollten Sie die anfallenden Kosten nicht selber tragen können, besteht in gewissen Fällen die Möglichkeit der Kostenübernahme durch den Staat (unentgeltliche Rechtspflege).